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Planfeststellung Retentionsraum Bellenkopf/Rappenwört: Urteilsgründe liegen vor

Datum: 25.04.2024

Kurzbeschreibung: Der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) hat den Klagen der Stadt Rheinstetten und einer als Umweltvereinigung anerkannten Bürgerinitiative gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landratsamts Karlsruhe für den Bau und Betrieb des Hochwasserschutzprojekts „Retentionsraum Bellenkopf/Rappenwört“ vom 23. Dezember 2020 im Anschluss an die mehrtägige mündliche Verhandlung im September und November 2023 mit Urteilen vom 28. November 2023 teilweise stattgegeben. Der 3. Senat hat festgestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. Im Übrigen hat er die Klagen abgewiesen (vgl. Pressemitteilung vom 1. Dezember 2023). Damit können die vom VGH festgestellten Rechtsfehler in einem ergänzenden Verfahren geheilt werden. Die vollständigen sehr umfangreichen Urteilsgründe liegen nun vor.

Planfeststellung Retentionsraum Bellenkopf/Rappenwört: Urteilsgründe liegen vor

Sachverhalt

Mit ihren Klagen wandten sich die Stadt Rheinstetten (3 S 846/21) und die Bürgerinitiative (3 S 821/21) gegen die Planung eines Hochwasserretentionsraums auf den Gemarkungen der Stadt Karlsruhe, der Gemeinde Au am Rhein und der Großen Kreisstadt Rheinstetten. Dieser soll ein Rückhaltevolumen von bis zu 14.000.000 m³ auf einer Fläche von 510 ha aufweisen und durch den bestehenden, aber umfassend zu ertüchtigenden Hauptdamm HWD XXV vom Rhein abgetrennt und durch die überwiegend neu zu errichtenden Dämme HWD XXVa und XXVI vom rückwärtigen Binnenland abgesperrt werden. Während die Stadt Rheinstetten vorrangig eine unzureichende Berücksichtigung ihrer kommunalen Interessen als flächenbetroffene Gemeinde geltend machte, rügte die Umweltvereinigung unter anderem die Verletzung einer Vielzahl von Rechtsvorschriften des europäischen und nationalen Wasserrechts, des Naturschutzrechts und des Artenschutzrechts. Zentraler Kritikpunkt beider Klägerinnen war die geplante Bauausführung als Erddämme an Stelle in die Landschaft eingebetteter, eigenständig wirksamer Hochwasserschutzwände mit einem potentiell schmaleren Dammprofil (sog. „angeböschte Spundwände“). Das beklagte Land machte hiergegen vor allem Sicherheitsbedenken geltend. Daneben wandten sich beide Klägerinnen gegen die geplante Durchführung sog. ökologischer Flutungen. Diese setzen den geplanten Retentionsraum abhängig vom Rheinabfluss über den relativ seltenen Hochwassereinsatz hinaus häufigeren Teilflutungen unterschiedlicher Höhe aus. Hierdurch sollen überflutungstolerante Lebensgemeinschaften entstehen und die natur- und artenschutzrechtlichen Auswirkungen der Retentionsflutungen langfristig abgemildert oder kompensiert werden. Ziel der ökologischen Flutungen ist eine Annäherung an auenähnliche Verhältnisse im betroffenen Naturraum, die im Zuge der historischen Rheinbegradigung verloren gegangen waren.

 

Urteilsgründe

Die Klagen hatten nur teilweise Erfolg. Der Senat stellte fest, dass die Planfeststellungsbehörde die Möglichkeit einer weniger flächenintensiven Ausgestaltung des rheinseitigen Trenndamms HWD XXV – z. B. als befahrbare Spundwand – nicht ausreichend untersucht habe. Die Klägerinnen hatten zudem auch mit Einwendungen Erfolg, die sich auf die Notwendigkeit der Durchführung eines Probestaus bzw. einzelne Aspekte der Auswirkungen der Flutungen auf die Böden innerhalb des Retentionsraums sowie auf die Stechmückenbelastung bezogen.

Demgegenüber bestätigte der Senat im Hinblick auf die ökologischen Flutungen die Einschätzung des beklagten Landes, dass deren Durchführung eine geeignete, erforderliche und auch unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf den betroffenen Naturraum und das Gebiet der Gemeinde Rheinstetten angemessene Maßnahme sei, um die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen natur- und artenschutzverträglich auszugestalten. In der mündlichen Verhandlung hatte das beklagte Land zudem klargestellt, dass die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehene Entschädigungsregelung für Grundstückseigentümer auch z. B. entgangene Pachteinnahmen umfasst. Auch umfangreiche weitere Rügen der Klägerinnen, die sich unter anderem gegen die Auswirkungen des Vorhabens auf die Nutzung des Fermasees richteten, blieben erfolglos.

Im Ergebnis nahm der Senat an, dass diese festgestellten Mängel keine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses rechtfertigen; dieser sei lediglich solange nicht vollziehbar, bis die jeweiligen Mängel im Rahmen einer ergänzenden Planung behoben worden seien.

Bereits im Dezember 2023 hatte der Senat gegen die Planung gerichtete Eilrechtsschutzanträge der Klägerinnen abgelehnt und festgestellt, dass die Vorbereitungs- und Bauarbeiten an den landseitigen Absperrdämmen XXVa und XXVI sowie dem Verbindungsdamm vorläufig fortgesetzt werden dürfen (vgl. Pressemitteilung vom 27. Dezember 2023). 

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der 3. Senat jeweils nicht zugelassen. Die Beteiligten können binnen eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht erheben (3 S 821/21 und 3 S 846/21).

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